4. FASTENSONNTAG
EVANGELIUM nach Lk (15,1-3.11-32):
Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom verlorenen Sohn, auch Geschichte vom barmherzigen Vater genannt! Sie fordert heraus, denn irgendwie kommen wir da selbst vor. Irgendwie geht es hier um Erfahrungen, die wir selbst gemacht haben oder immer noch machen.
Da ist der jüngste Sohn. „Ich will von zu Hause weg. Ich will selbstständig sein, mein eigenes Leben führen. Ich will Neues entdecken, einmal schauen, was die Welt zu bieten hat. Ich will das Leben genießen, es auskosten. Vielleicht um mich selber so selbst besser spüren zu können, mich selbst verwirklichen zu können. Ich will mich frei machen von all den Gewohnheiten und Gepflogenheiten, die es zu Hause gibt und mit denen ich erzogen wurde. Ich will frei sein, selbst über alles entscheiden.“
In dieser Sehnsucht nach Leben mache ich dann oft harte Erfahrungen. Die berauschenden Momente sind nur von kurzer Dauer. Das Leben kann hart sein. In seinem Kampf, sich über dem Wasser zu halten, muss der junge Mann einiges aufgeben. In seiner jüdischen Erziehung hat er Grundwerte kennengelernt, z.B. dass man sich von „unreinen“ Tieren wie Schweinen fernhalten soll. Jetzt muss er sie sogar hüten. Ist sogar bereit von ihrem Futter zu essen. Moralisch, religiös, menschlich ist er tief gesunken. Und da holt ihn seine Vergangenheit, die Erinnerung an das Leben mit seinem Vater, wieder ein. Er kehrt zurück zu seinem Vater.
Mit dem Vater in dieser von Jesus erzählten Geschichte ist natürlich Gott gemeint. Gott ist wie ein Vater, der loslassen kann, damit seine Söhne und Töchter die Chance haben, ihr Leben in die Hand zu nehmen, eigene Erfahrungen zu machen und so zu reifen. Gott lässt mich frei, selbst zu entscheiden über Gut und Böse, eigene Wege zu gehen, auch wenn diese Wege mich von ihm wegführen, mich von ihm entfremden. Aber irgendwann mache ich die Erfahrung, dass es nicht gut ist, dass ich mich von Gott entfernt habe. Mein Leben wird dadurch nicht besser. Im Gegenteil. Vielleicht mache ich die Erfahrung von tiefster Einsamkeit, Verlorenheit, Verlassenheit, weil ich diese tiefe Geborgenheit in Gott nicht mehr spüre. Ich kann dann zu Gott zurückkehren, denn er ist wie dieser Vater, der seinem Sohn nicht einmal Vorwürfe macht, sondern ihn mit offenen Armen wieder aufnimmt, ganz und bedingungslos. Dann bin ich wieder zu Hause. Das erinnert mich an einen Jugendlichen, der auf die Frage, wo sein Zuhause ist, antwortete: „Mein Zuhause ist dort, wo ich ganz angenommen werde, wenn ich Mist gebaut habe.“
Diese Geschichte zeigt mir, dass jeder ein Recht hat, seine Sehnsucht nach Leben zu leben und dass Gott bei allen falschen Wegen seine Beziehung zum Menschen nicht abbricht. Er freut sich, wenn wir uns wieder an ihn wenden, egal was passiert ist.
Wenn es aber für Gott egal ist, was passiert, ist er dann denen gegenüber nicht ungerecht, die sich ein Leben lang an seine Gebote gehalten haben, sich brav an alle religiösen Bräuche gehalten haben, jeden Sonntag in die Kirche gegangen sind, ohne Seitensprünge oder Ausschweifungen gelebt haben? Das ist der Standpunkt des ältesten Sohnes. So denken wir oft. Aber Gott lädt da ein, zu denken wie er, zu lieben wie er, sich zu freuen über jeden Menschen, der zu ihm zurückkehrt, egal was er angestellt hat. Richte nicht über deinen Bruder! Verurteile ihn nicht. Ich, Gott, tue es auch nicht.
Ob der älteste Sohn dann auf die Einladung von Gott eingeht und am Fest teilnimmt, wird nicht erzählt. Die Entscheidung bleibt offen. Die Entscheidung bleibt uns überlassen. Auch hier respektiert Gott unsere freie Entscheidung. Gott aber lässt niemals einen Menschen fallen, mag er sich auch ins Weglose verirrt haben. Gott hält immer einen Weg für ihn offen. So tief wir fallen mögen, wir fallen immer in die Hände Gottes. Eine wahrhaft frohe Botschaft, die Jesus uns da erzählt! Da entsteht Lebensfreude!